Teile diesen Beitrag "Lokale Windsysteme – Meltemi, Bora und co."
Wer die verschiedenen Segelreviere im Mittelmeer bereits besucht hat, der ist ihnen bereits begegnet: Mistral, Bora, Schirokko und Meltemi. Wo liegt ihr Ursprung? Wie kommt es zur bekannten Abendflaute? Hier erklären wir, wie durch den Austausch von Wärme und Kälte an Land und auf See diese lokalen Windsysteme entstehen.
Die großen, globalen Windsysteme, auch Gradientwind genannt, wie z.B. Passat- oder Westwind werden in unseren Yachtcharter-Revieren häufig durch lokale Windsysteme überlagert. Eine der wichtigsten lokalen Ausprägungen dabei ist sicher der Wechsel von Land- und Seewind.
Land- und Seewind
Schön zu beobachten ist dieser Effekt in zahlreichen Mittelmeer-Destinationen. Während des Tages brennt die Sonne auf das Land und heizt es kräftig auf. Die Temperatur des Meeres ändert sich jedoch derweil durch die Sonneneinstrahlung des Tages kaum. Über dem erwärmten Land beginnt die Luft aufzusteigen und hinterlässt am Boden einen Unterdruck, ein lokales Tiefdruckgebiet. Dieser Unterdruck muss durch umgebende Luftmassen wieder aufgefüllt werden. Also entsteht eine Luftströmung, die von See zum Land gerichtet ist.
Sie erreicht am späten Nachmittag, also dann, wenn die Temperaturunterschiede zwischen Land und See am größten sind, ihre höchste Geschwindigkeit. Begleitet wird der Seewind tagsüber von Cumulus Wolken, die sich über dem Land bilden. Sie haben ihre Ursache in der Feuchtigkeit, die von der aufsteigenden Luft mit in die kühleren, höheren Luftschichten transportiert wird und dort kondensiert. Über der im Verhältnis zum Land relativ kühleren See sinkt die Luft wieder ab. Es entsteht ein lokales Hochdruckgebiet. In der absinkenden Luft lösen sich Wolken. Daher ist es auf den Inseln häufig sonniger als am Festland.
Wird im Laufe des Spätnachmittags und Abends die Sonneneinstrahlung schwächer und gleichen sich die Temperaturunterschiede zwischen Land und See aus, schläft der Wind ein und die für die Mittelmeergebiete so typische „Abendflaute“ setzt ein.
In seltenen Fällen kann sich das System nachts natürlich auch umkehren. Wenn das Land so stark und schnell abkühlt und die See im Verhältnis so deutlich wärmer bleibt, dass hier ein lokales Tiefdruckgebiet entsteht, kann auf diese Weise auch Wind entstehen, der in der Nacht vom Land zur See weht. Der nächtliche Landwind ist jedoch schwächer als der Seewind.
Düseneffekt
Sehr gut zu beobachten ist der Düseneffekt auf den Kanarischen Inseln. In diesem Seegebiet herrscht eigentlich der stetige Passatwind aus Nordost. Zwischen Gran Canaria und Teneriffa muss sich der Wind jedoch durch eine Engstelle quetschen, die im Osten vom immerhin 1.949 Meter hohen Zentralmassiv Gran Canarias und im Westen vom 3.718 Meter hohen Teide auf Teneriffa begrenzt wird. Hier muss sich die gleiche Menge Luft, die sonst über ein großes Gebiet einfach hinwegstreicht, nun mit einem erheblich kleineren Ausdehnungsraum begnügen und wird entsprechend komprimiert und beschleunigt. Das Resultat beeindruckt jeden sportlich orientierten Segler: Der Passatwind versorgt die Großregion mit Wind der Stärke 3-5 Bft.. Innerhalb der Düse zwischen den beiden Inseln briest es jedoch erheblich auf. 6, 7 oder zuweilen 8 Bft. stehen in dem eng abgegrenzten Dreieck zwischen Santa Cruz und El Medano auf Teneriffa und der Westspitze von Gran Canaria. Ähnliche und großräumige Düseneffekte finden sich in der Meerenge von Gibraltar und zwischen Korsika und Sardinien. In etwas kleinerem Maßstab findet sich der Effekt zwischen einigen Inseln in der griechischen Ägäis, in der Straße von Rhodos oder überhaupt zwischen dicht beieinander liegenden Inseln oder Küsten.
Kapeffekt
Der „kleine Bruder“ des Düseneffekts. Auch wenn der Wind nur an einer Seite von einer Huk aufgehalten wird, muss doch eine Kompression des Luftstroms und eine Beschleunigung stattfinden, damit die gleiche Menge Luft den Umweg um das Kap schaffen kann. Dabei wird der auffrischende Luftstrom regelmäßig geleichzeitig auch abgelenkt.
Fallböen
Aus jedem Hafenhandbuch kennen Sie Formulierungen wie „… in der sonst ruhigen Bucht ist mit kräftigen Fallböen zu rechnen“. Was ist damit gemeint? Im Grunde haben wir es hier mit schnell strömenden Luftpaketen aus der Höhe zu tun, die an Berghängen hinunter in tiefere Lagen eindringen und dabei durch eben diese Berghänge noch zusätzlich beschleunigt werden. Der Effekt tritt überwiegend nachts auf, da tagsüber die aufsteigende thermische Luftbewegung den herabströmenden Luftpaketen entgegenwirkt. Sobald die Thermik des Tages endet ist der Weg für die Fallböen frei. Dabei macht Ankerliegern meistens nicht die Stärke der Böen zu schaffen, sondern der Umstand, dass deren Richtung stark variieren kann. Besonders ausgeprägt sind die Fallböen dann, wenn der großflächig wehende Wind die Fallböen in ihrer Richtung unterstützt. Das passiert beispielsweise in der Ägäis, in der der aus Nord wehende Meltemi die Fallböen verstärkt, die über Ankerbuchten herfallen, die von Nord nach Süd ausgerichtet sind.
Die bisher beschriebenen lokalen Windsysteme, Land und Seewind, Düsen- und Kapeffekt kann man an den unterschiedlichsten Küsten beobachten. Es gibt jedoch auch eine Anzahl bemerkenswerter lokaler Winderscheinungen, mit denen Segler insbesondere in den Mittelmeerdestinationen zu rechnen haben.
Meltemi
Vielen Seglern in Griechenland ist der Meltemi bekannt. Für die einen ist des der Grund überhaupt, um in den Sommermonaten äußerst sportlich zwischen den Inseln der griechischen Ägäis zu segeln, andere gehen dem beeindruckenden Starkwind lieber aus dem Weg.
Der Meltemi entsteht mit großer Regelmäßigkeit in den Sommermonaten zwischen Juni und September, dann wenn über dem Balkan ein Hochdruckgebiet (über 1.025 HPa) liegt und ein Hitzetief (< 1.010 HPa) über dem südwestlichen Asien. Man bezeichnet ihn auch als einen synoptischen Wind, da er vom Vorhandensein einer bestimmten Wetterlage abhängig ist, eben dem Balkanhoch und dem Hitzetief über der Region von der Türkei bis zur arabischen Halbinsel. Die ausgleichende Luftströmung bewegt sich von Nord nach Süd und folgt dabei der topographischen Ausrichtung der Ägäis um in ihrem südlichen Bereich nach West und Ost auszufächern. Die Herausforderung für Segler liegt in der Schwierigkeit vorherzusagen, wie ausgeprägt der Meltemi sein wird. Im Durchschnitt beschert er uns mit 4-5 Bft. schönen Segelwind, aber das ist längst nicht alles. Der Meltemi kann sehr kräftig und langatmig werden. Mitunter frischt er bis auf 8-9 Bft. auf. Lokale Effekte wie Kap- und Düseneffekte kommen in der Ägäis häufig hinzu. Der Meltemi kann sehr böig sein. Darüber hinaus steht der Wind im Gegensatz zu vielen anderen Windsystem des Mittelmeerraumes oft nachts durch. Segler, die sich auf einen Törn im Meltemi einlassen müssen einplanen, dass sie durchaus über 2-3 Tage bei durchstehenden 8-9 Bft. im schützenden Hafen eingeweht sein können. Die Törnplanung sollte solche Hafentage berücksichtigen.
Begleitumstände des Meltemi sind steigender Luftdruck über dem Balkan und der nördlichen Ägäis und hervorragende Sicht. Bei ungewöhnlich hohen Luftdruckwerten (über 1018 hPa) ist mit mehrtägigen Starkwindperioden zu rechnen. Kein Morgentau an Deck – die Luftfeuchtigkeit fällt plötzlich.
Schirokko
Auf der Vorderseite von Tiefdruckgebieten, die sich über Nordafrika bilden und ostwärts über das Mittelmeer wandern, entsteht ein zunächst trockenheißer Wind aus südlicher Richtung. Der Schirokko genannte Starkwind transportiert viel Staub und Sand aus der Sahara in nördliche Richtung und sorgt damit für sehr schlechte, diesige Sichtverhältnisse. Mit zunehmender Zeit und Stecke, die das für den Schirokko verantwortliche Tiefdruckgebiet über das Mittelmeer wandert, wird der Wind immer feuchter.
Die Nordküsten des Mittelmeeres in Spanien, Frankreich, Italien, Kroatien, Griechenland oder in der Türkei erreicht der Schirokko als feuchtwarmer Wind, der Wolken, Nebel, Regen und in der Regel eben auch einigen Staub mit sich führt. Die Winderscheinung hat viele verschiedene Namen: In der Türkei wird er Lodos genannt, in Kroatien heißt er Jugo, in Spanien Lebeche, in Frankreich Marin und in Nordafrika Ghibli.
Das Ausdehnungsgebiet des Schirokkos reicht von den Kanarischen Inseln bis in die Türkei. Schirokko-Ereignisse können das ganze Jahr hindurch auftreten. Vergleich mit den anderen Starkwindsystemen Südeuropas ist der Schirokko jedoch einigermaßen wohlerzogen. Er kündigt sich mit langem Vorlauf durch fallenden Luftdruck und schwülwarme Luft an. Da dem Wind über dem Mittelmeer ein langer Fetch zur Verfügung steht baut er eine lange, teils recht hohe Welle auf. Auf dem offenen Meer wächst der Schirokko sich selten zu einem handfesten Sturm heraus. Anders ist es jedoch dort, wo lokale Kap- und Düseneffekte hinzukommen. Hier kann auch Sturmstärke entstehen, die Segler in Verbindung mit der langen Dünung sehr erst nehmen sollten. Etliche Häfen an der Mittelmeerküste bieten bei südlichem Wind nur eingeschränkten Schutz. Bei der Suche nach guten Häfen und Ankerplätzen bei Schirokko hilft ein Blick ins Hafenhandbuch.
Mistral
Der Maestrale, der Meister oder Herrscher der Starkwinderscheinungen im Mittelmeer ist ein ruppiger, kalter Wind aus nordwestlicher Richtung. Er bläst von Südfrankreich durch den Golf de Lion ins nordwestliche Mittelmeer. Oft weht er im Winter und Frühjahr und am stärksten ist seine Ausprägung in der Übergangszeit zwischen den beiden Jahreszeiten.
Der Mistral entsteht, wenn eine Kaltfront aus Nordwesten ins westliche Mittelmeer gelangt. Dies ereignet sich regelmäßig, wenn atlantische Tiefdruckgebiete über Frankreich in Richtung Osten hinweg ziehen. Die typische Wetterlage für Mistral ist ein Hochdruckgebiet über der Biskaya und ein Tiefdruckgebiet über dem Golf von Genua. Bei dieser Anordnung der Druckgebiete wird die daraus resultierende nördliche Luftströmung zwischen den Alpen und den Cevennen hindurchgepresst (Düseneffekt) und durch das Rohnetal kanalisiert. Das Ergebnis nach Durchzug der Kaltfront ist ein trockener, schnell an Stärke gewinnender Nordwestwind bei wolkenlosem Himmel und guter Sicht. Der Mistral kann Orkanstärke erreichen. Er weht von Südfrankreich bis nach Korsika und Sardinien und dauert mehrere Tage an. Dabei baut sich von der Französischen Küste aus eine zunächst kleine, dann länger und höher werdende Windsee auf, die Korsika und Sardinien als sehr hoher Seegang erreicht. Besonders der Golfe de Lion, die Straße von Bonifacio und die Westküste Korsikas ist vom Mistral betroffen. Lokale Ausprägungen des Mistrals sind der kalte Tranmontana östlich der Pyrenäen und der etwas schwächere Cierzo, der durch das Ebrotal weht.
Bora
Normalerweise wird die kroatische Adriaküste von einem herrlichen thermischen Nordwest Wind versorgt, der tagsüber weht und sich nachts zur Ruhe begibt. Gelegentlich tritt in dem Gebiet zwischen der Halbinsel Istrien und Montenegro an der Westseite des dalmatinischen Küstengebirges auch ein kalter und böiger Fallwind aus Nordost bis Ost auf, der unter dem Namen Bora bekannt ist. Kalte Luftmassen stürzen dabei die Berge hinab und fegen urplötzlich mit Sturmstärke über die Wasseroberfläche. Da der Wind von Land her weht und kaum Fetch hat, bilden sich bei beginnender Bora nur kleine, kurze Wellen. Eine herannahende Bora ist daher nur an der von Osten sich nähernden Schaumkrone zu erkennen.
Die Bora entsteht, wenn ein Hochdruckgebiet nördlich der Alpen und ein Tief über dem Balkan liegt (ähnlich wie beim Mistral, nur liegen Hoch und Tief bei der Bora weiter östlich). Zwischen den beiden Druckgebieten entsteht eine nord-nordöstliche Luftströmung die kalte Luft über die Alpen, durch die Lücke der weniger gebirgigen Istrischen Halbinsel und über das Dinarische Gebirge in Richtung Adria drückt. Wenn die kalten Luftmassen die Leeseiten der Gebirge erreicht haben, fallen sie mit hoher Geschwindigkeit die Gebirgshänge herunter. Luftpakete, die statt über die Gipfel durch die Täler strömen werden durch diese kanalisiert und ebenfalls erheblich beschleunigt bevor sie die Küste und die Adria erreichen. Entsprechend erreicht die Bora ihre stärkste Ausprägung im Golf von Triest, im Velebit Kanal und entlang der größeren Flusstäler von Krka und Neretva.
Wegen der winterlich größeren Temperaturunterschiede zwischen Land und Wasser weht die Bora in der kalten Jahreszeit häufiger als im Sommer, wenngleich sie während des ganzen Jahres auftreten kann. Im Laufe des Tages wirkt die Seebriese der Bora entgegen. Daher erreicht der Starkwind seine höchsten Geschwindigkeiten morgens zwischen 07:00h und 11:00h sowie abends zwischen 18:00h und 22:00h. Die Bora hält im Sommer in der Regel einige Stunden oder einen Tag an. Im Winter kann sie durchaus mehrere Tage durchhalten.
Nun haben wir uns eingehend mit den lokalen Luftströmungen des Mittelmeerraumes befasst. Die Ursache für die regionalen Windsysteme liegt überwiegend in dem Umstand begründet, dass das Mittelmeer weitläufig von Gebirgszügen umrahmt ist, was die Region teilweise von dem großflächigen Wettergeschehen, z.B. über dem Atlantik abkoppelt. Trotz des zeitweiligen Einflusses der dargestellten Windsysteme sollte jedoch nicht darüber hinweggesehen werden, dass die Segelreviere des Mittelmeerraumes insbesondere im Sommer in der Regel stabile Wetterbedingungen aufweisen und der Wind durch die Thermik geprägt wird.