Teile diesen Beitrag "Manövertipps für Segler – Reffen Teil 2"
Im ersten Teil dieses Zweiteilers haben wir uns Gedanken darüber gemacht, weshalb und auf welche Weise auf einer Yacht die Segel zu reffen sind. Denken wir doch noch einmal zurück: Der Wind frischt auf und unsere Charteryacht krängt, bis fast die Fußreeling unter Wasser steht. Der Rudergänger muss viel Kraft aufwenden um das stark luvgieriege Schiff auf Kurs zu halten. Die Geschwindigkeit hat abgenommen, obwohl doch der Wind stärker geworden ist. So langsam wird es ungemütlich im Cockpit. Nun ist es an der Zeit, die Segel zu reffen.
Großsegel-Reffsysteme: Handhabung und kurzer Vergleich
Wie das Reffmanöver vor sich geht, hängt im Einzelnen maßgeblich von der Form unseres Großsegels ab:
Auf Charteryachten haben sich mittlerweile zwei unterschiedliche Formen von Großsegeln etabliert: Das Lattengroßsegel (meistens mit Lazy Jacks) und das Rollgroßsegel. Die beiden Systeme zeichnen sich durch unterschiedliche Handhabung beim Reffen und auch durch unterschiedliche Leistungseigenschaften aus.
Bei Lattengroßsegeln wird das auf Charteryachten üblicherweise verwendete Reffsystem gelegentlich auch als Einleinen-Reffsystem bezeichnet werden. Dabei wird ein konventionelles Großsegel, dessen Achterliek mit Segellatten ausgesteift ist, mit Hilfe einer einzigen Leine an seinen Reffkauschen auf den Baum hinunter gezogen. Der weggereffte, nicht benötigte Streifen Segeltuch wird dabei meistens von Lazy Bags aufgenommen.
Bei der Entwicklung des Rollreffsystems standen die Gedanken an die Sicherheit und den Komfort der Crews Pate: Das Großsegel lässt sich einfach um eine Profilstange wickeln, die sich im Mast befindet. Das Segel verschwindet dabei komplett im Mast. Da das Segel natürlich nicht aufgewickelt werden könnte, wenn sich waagerechte Segellatten im Achterliek befänden, haben Rollgroßsegel einen einfachen, dreieckigen, etwas bauchigeren Schnitt als konventionelle Segel und kommen ohne Segellatten aus.
Reffen eines Lattengroßsegels
Schauen wir uns doch nun einmal etwas genauer an, wie das Reffmanöver bei den beiden Systemen in der Praxis aussieht: Das Reffen eines Lattengroßsegels erfordert in aller Regel eine Person, die am Mast steht und das Manöver unterstützt. Das Crewmitglied soll dafür sorgen, dass die Reffleinen sauber laufen und soll die Reffkausch am Vorliek des Segels in den Reffhaken am Mast legen.
Wenn nun also das Crewmitglied am Mast Position bezogen hat (bitte mit Lifebelt gesichert) geht die Yacht in den Wind, hoch an den Wind oder sie dreht bei und das das Reffmanöver wird mit dem Loswerfen der Großschot eingeleitet. Der Baum soll in den Wind gehen und keinerlei Winddruck darf mehr auf das Segel wirken.
Soweit dies bei Vorhandensein eines Kickers noch erforderlich ist, ist die Dirk anzuholen, damit der Baum nicht auf das Bimini oder ins Cockpit fallen kann und damit das Achterliek entlastet wird.
Danach kann das Großfall gefiert werden und das Großsegel gleichzeitig mit der Reffleine (auch Smeerreep genannt) soweit auf den Baum hinuntergezogen werden, dass das Crewmitglied vorn am Mast den Reffhaken am Baum in die Reffkausch legen kann. Gelegentlich sind die mehrfach durch Kauschen im Segel geschorenen Reffleinen etwas schwergängig oder gar vertörnt. In diesem Fall kann das Crewmitglied am Mast die Leinen klarieren und so das Manöver unterstützen. Um das Unterliek an seiner neuen Position zu fixieren ist die Reffleine durchzusetzen. Ist das geschehen, kann auch das Großfall wieder durchgesetzt werden.
Da der Baum nun wieder vom Großsegel gehalten wird, kann die Dirk wieder gefiert werden. Jetzt ist die Segelfläche auf das gewünschte Maß verkleinert und die Großschot kann angeholt werden um das Hin- und Herschlagen des Baums zu unterbinden. Wenn ein längerer Schlag mit dem gerefften Segel geplant ist, empfiehlt es sich zu diesem Zeitpunkt noch die Reffkausch am Achterliek mit einer zusätzlichen kurzen Leine um den Baum zu sichern.
Bei Yachten mit Lazy Jack Systemen ist die überschüssige Segelfläche während des Fierens des Großfalls in den Lazy Bag gefallen und kann dort liegen bleiben. Sollten auf der Charteryacht keine Lazy Bags vorhanden sein, hängt der nicht benötigte Teil des Großsegels nun wie eine Tasche unter dem Baum. Die Tasche kann von unten nach oben zu einer „Wurst“ zusammengerollt werden und mit Reffbändseln seitlich (und bitte ohne viel Zug) so an den Baum gebunden werden, dass sie von oben glatt und faltenlos ist. Dann kann sich kein Spritz- oder Regenwasser in dem gepackten Segeltuch sammeln, welches die Reffbändsel unnötig belasten würde oder sich nach einer ungünstigen Schiffsbewegung über die Crew im Cockpit ergießt. Zum Beibändseln des Segeltuchs bietet es sich an, die Yacht auf einem Amwindkurs zu fahren und den Baum dadurch stabil zu halten.
Zum Schluss kommen alle Crewmitglieder wieder ins Cockpit und die Leinen werden klariert um nicht im Weg zu liegen oder beim nächsten Manöver eine Wuhling zu produzieren.
Reffen des Großsegels mit einer Rollreffeinrichtung
Um ein Rollgroßsegel in den Mast hinein zu reffen muss die Crew vor allem dafür sorgen, dass das Tuch ohne Faltenwurf und nicht zu lose in die kleine Mastkammer gerollt wird. Das setzt voraus, dass das Segel keinem Winddruck mehr ausgesetzt ist und dass der Baum im rechten Winkel zum Mast steht, damit er das Segel nicht beim Einrollen nach unten ziehen oder nach oben stauchen kann. Während die Yacht im Wind steht, hoch am Wind segelt oder beigedreht liegt, sind zur Vorbereitung des Manövers folglich die Großschot und der Baumniederholer zu lösen. Mit der Dirk wird der Baum dann in die Waagerechte geholt.
Gelegentlich findet man einen Hinweis darauf, dass zur Vermeidung von Faltenbildung im aufzurollenden Segel ein eventuell durchgesetztes Achterstag soweit zu lösen ist, dass auch der Mast wieder senkrecht steht. Bei den meisten Charteryachten spielt Aspekt jedoch gar keine Rolle, da das Achterstag kaum als Trimmeinrichtung verwendet wird. Abgesehen davon lässt sich das Profilstag im Mast sowieso kaum drehen, solange dieser durch das Achterstag nach hinten gebogen wird. Nur wenn der Mast gerade steht und sich die Profilstange der Reffanlage genau in seiner Mitte befindet, kann letztere problemlos gedreht werden und das aufzurollende Tuch von der Kammer im Mast aufgenommen werden.
Um die Segelfläche nun also zu verkleinern wird der Unterliekstrecker langsam und mit leichtem, gleichmäßigem Zug gefiert, während gleichzeitig an der Reffleine geholt wird, die das Segel im Mast aufrollt. Der leichte Zug auf dem Unterliekstrecker ist wichtig, damit sich das Tuch in der Mastkammer nicht zu lose aufrollt sondern sich in eng anliegenden Wicklungen um das Profilstag legt. Hat das gereffte Segel dann die gewünschte Größe, wird die Reffleine festgesetzt. Bei einigen Systemen empfiehlt es sich, noch eine Sperre gegen das Ausrauschen des Segels einzulegen, die sich an einer Winsch am Mast unterhalb des Baumes befindet. Anschließend kann dem Segel durch Holen am Unterliekstrecker wieder ein flaches Profil gegeben werden. Zum Schluss wird die Dirk wieder gelöst, die Leinen im Cockpit klariert und die Fahrt kann fortgesetzt werden.
Vergleich der Reffsysteme
Aus den Beschreibungen der Reffmanöver sollte hervorgegangen sein, dass das Reffen eines Lattengroßsegels einige Handgriffe mehr erfordert als das Reffen eines Rollgroßsegels. Insgesamt sind Rollgroßsegel leichter und schneller zu bedienen als die konventionellen Reffsysteme. Gleichzeitig erscheint die Rollrefftechnik durch die Profilstange, Rollvorrichtung, den begrenzten Stauraum für das Segel und die enge Segeldurchführung im Mast etwas filigraner und damit potenziell störanfälliger zu sein, als das klassische Reffsystem für Lattengroßsegel. So verbinden manche Segler mit den Rollreffsystemen die latente Besorgnis, dass sich ihr Segel beim Aufrollen in Falten legt und das Tuch dadurch nicht ganz in die Kammer mit Mast hineinpasst oder sich im Mast verklemmt. In diesem Zusammenhang ist jedoch darauf hinzuweisen, dass sich die Rollreffsysteme im Verlauf der letzten 25 Jahre technisch weiterentwickelt haben und mittlerweile deutlich robuster geworden sind. Mit etwas Vorausschau lassen sie sich heutzutage völlig störungsfrei bedienen.
Ein weiterer, wesentlicher Unterschied liegt im Schnitt der Segel, die bei den verschiedenen Reffsystemen zum Einsatz kommen. Das Rollreffsystem erfordert ein Großsegel ohne Segellatten, da sich diese ja nicht in den Mast eingerollt werden könnten. Damit entfällt einerseits der obere, durch die Segellatten nach hinten ausgestellte Teil des Achterlieks. Aus diesem Grund muss ein Rollgroßsegel etwas bauchiger geschnitten sein und verfügt über etwa 15-20% weniger Fläche als ein Lattengroßsegel. Auch stabilisieren Segellatten das Profil eines Lattengroßsegels. Diese Stabilität fehlt dem Rollgroßsegel. Entsprechend geringer fällt seine Leistungsfähigkeit aus.
Ob eine Crew das eine oder eher das andere System bevorzugt ist somit letztlich eine Frage des persönlichen Geschmacks. Insbesondere stellt sich die Frage, ob die größere Leistungsfähigkeit eines Lattengroßsegels und ein Knoten mehr auf der Logge auf unserer Urlaubsyacht wirklich ein Vorteil ist, oder ob es nicht eher um das gemütliche Segeln von einer Ankerbucht zur nächsten geht.