Teile diesen Beitrag "Wie Entwicklungen für Rennyachten den Chartermarkt beeinflussen – Kimmkanten, Doppelruder und Keilform"
Im direkten Vergleich zweier Yachtrümpfe wird deutlich, wieviel sich in der Konstruktion von Segelyachten im Laufe der letzten zwanzig Jahre geändert hat! Vergleicht man beispielsweise das Layout einer Charteryacht wie der Oceanis 381 aus den 1990er Jahren mit dem korrespondierenden aktuellen Modell, springt als erstes die völlig veränderte Rumpfform ins Auge.
Das neue, keilförmige Rumpfdesign mit dem markanten breiten Heck erinnert an die Form der Open 60 Regattayachten, die eine höhere Formstabilität und einen leichteren Übergang in die Gleitphase und dadurch höhere Geschwindigkeiten ermöglichen soll. Nun geht es bei den Charter- und Serienyachten weniger um den letzten halben Knoten Geschwindigkeitspotenzial wie bei der Konstruktion der Rennyachten. Stattdessen setzt sich zunehmend die Erkenntnis durch, dass die breite Heckform einen erheblichen Komfortgewinn bringt. Nicht nur die Achterkabinen gewinnen deutlich an Breite, auch im Cockpit steht nun viel mehr Platz zur Verfügung. Das höhere Geschwindigkeitspotenzial durch die größere Formstabilität der Yacht ist dabei ein willkommener Nebeneffekt.
Die breiten Yachthecks machen ein weiteres konstruktives Novum erforderlich: Die zwei Ruderblätter einer Doppelruderanlage. Ein luv- und ein leewärtiges Ruderblatt gewährleisten nämlich, dass auch bei großer Krängung an der Kreuz mindestens ein Ruderblatt voll eingetaucht ist und Griff hat. Damit wird die Gefahr eines „Sonnenschusses“ minimiert.
Die verbesserten Segeleigenschaften an der Kreuz und bei stärkerem Wind sowie die hohe Drehfreudigkeit von Schiffen mit Doppelruderanlage (schließlich ist die eingetauchte Fläche von zwei Ruderblättern größer als die Fläche eines Ruderblattes) wird erkauft durch einige Nachteile bei den bekannten Hafenmanövern. Alle Manöver, bei denen wir auf eine direkte Wirkung des Schraubenstroms auf das eine (mittig angebrachte) Ruderblatt angewiesen sind, funktionieren nicht oder nur eingeschränkt, da der Schraubenstrom durch die zwei Ruderblätter hindurchläuft. Z.B. Eindampfen in die Vorspring oder das Drehen auf der Stelle. Um diesen Nachteil zu kompensieren erscheint ein Bugstrahlruder als sinnvolles Ausrüstungsmerkmal.
Beim Blick auf die breiter gewordene Heckform moderner Segelyachten (z.B. Sun Odyssey 409, Oceanis 41) fallen an vielen Typen die prägnanten Knicks, Kimmkanten oder sog. Chines, in der Heckpartie auf, die wir seit etwa 2010 auch an Serienyachten beobachten können. Sie wirken, als hätte sich der Konstrukteur der Yacht nicht zwischen einem Rundspant- bzw. Knickspantrumpf entscheiden können. Das ist natürlich nicht der Fall. Die Chines kommen ursprünglich aus der Regattaszene und verleihen der Yacht zunächst eine höhere Formstabilität, d.h. bis zu einem gewissen Krängungswinkel sorgen sie dafür, dass die Yacht aufrechter segelt und dem Wind eine höhere Segelfläche exponieren kann.
Unter Konstrukteuren herrscht eine rege Diskussion, ob die Chines in der Regatta tatsächlich zu mehr Speed verhelfen. Für den Serienyachtbau erwiesen sich die Kimmkanten im Heck jedoch auch insofern als vorteilhaft, da Sie im Innenraum viel breitere Heckkojen zulassen, als dies bei Yachten mit einem durchgängigen Rundspantriss möglich wäre.
Eine andere konstruktive Veränderung betrifft die Bugpartie unserer Charteryachten. Während in früheren Jahren schräge Steven mit Neigungen von 20 bis 40 Grad optisch dem Typus einer sportlichen Yacht entsprachen, hat sich diese Wahrnehmung grundlegend geändert. Heute werden die meisten Serienyachten mit einem mehr oder weniger geraden (senkrechten oder vertikalen) Steven ausgeliefert.
Dafür gibt es gute Gründe: Im Verhältnis zu einer älteren Yacht mit der gleichen Länge über alles (LOA) hat eine Yacht mit einem geraden Steven eine längere Wasserlinie (LWL). Damit einher geht eine höhere Rumpfgeschwindigkeit. Durch die steileren, U-förmigen Spanten im Vorschiffbereich kann eine Yacht mit geradem Steven darüber hinaus weicher in die Welle einsetzen und stampft sich weniger fest.
Zum Erscheinungsbild einer modernen Yacht mit geradem Steven gehört bei einigen Modellen (z.B. Dufour 450) auch die einlaminierte Führung für den Gennakerbaum. Der Gennaker hat als leichtes Vorwindsegel in den letzten Jahren enorm an Popularität gewonnen. Hintergrund ist dessen leichtere Handhabbarkeit gegenüber den herkömmlichen Spinnakern. Zwar hat ein Spinnaker den Vorteil in einem breiteren Windeinfallswinkel eingesetzt werden zu können, jedoch benötigt er eine Vielzahl von Ausrüstungsteilen, die auch bedient werden wollen: Spibaum, Niederholer, Toppnant, Barberhauler. Dagegen benötigt ein Gennaker lediglich seinen Gennakerbaum (oder Bugspriet), der herausgefahren dafür sorgt, dass der Schotwinkel des Segels möglichst klein wird um den Gennaker auch noch bei möglichst spitzen Windeinfallswinkeln nutzen zu können und das Segel bei tiefen Kursen aus der Abdeckung des Großsegels zu bringen. Darüber hinaus haben Gennaker einen tieferen und weiter vorn liegenden Segeldruckpunkt als Spinnaker. Damit läuft die Yacht auf Raumschotskursen ruhiger als mit dem Spi. Bei vielen Charteryachten können Sie einen Gennaker als Extra hinzubuchen.
Sicher haben Sie auf einer Bootsausstellung oder vor Ort in einer Marina schon einmal eine neuere Yacht des Typs Oceanis von der Beneteau Werft gesehen. Auffälligstes Konstruktionsmerkmal dieser Yacht ist der sogenannte Targabügel, der mittlerweile standardmäßig auf allen Oceanis Yachten ab 40 Fuss Länge eingebaut wird.
Tragender Gedanke bei diesem Merkmal ist der Wunsch, die Großschottalje möglichst weit nach hinten zu setzen. Bei einem herkömmlichen Cockpitlayout muss die Position der Großschottalje genügend Platz lassen für das Bimini. So findet sich der Traveller, auf der die Talje läuft, in der Regel vor dem Niedergang und greift bereits etwa auf der Hälfte der Länge des Unterlieks am Baum an.
Diese herkömmliche Positionierung der Großschottalje ist sicher nie optimal gewesen, denn sie erfordert wegen des ungünstigen Hebels viel Kraft beim Dichtholen der Schot. Der Targabügel erlaubt es nun, die Großschot viel weiter nach hinten zu legen, ohne dass man auf ein Bimini verzichten müsst. Das Anholen der Großschot ist mit dieser Position der Großschottalje deutlich leichter. Weiter eignet sich der Targabügel als Träger für das Bimini und für die Sprayhood und auch für weitere Geräte wie z.B. die Cockpitbeleuchtung.
Eine sehr komfortable Innovation hat in den letzten Jahren auch das Layout der Heckpartien unserer Charteryachten verändert: Die ausklappbare Badeplattform.
Es gibt sie mittlerweile auf den Yachten sämtlicher größerer Werften wie Bavaria, Jeanneau, Beneteau, Dufour oder Hanse. Bei der Entwicklung der Badeplattformen spielte insbesondere der höhere Komfort eine Rolle: Durch das Herunterklappen des Spiegels der Yacht entsteht eine zusätzlich nutzbare Fläche von einem bis zwei Quadratmetern. Einziger Nachteil: Bei Rückwärtsfahrt oder Manövern in engen Häfen sollte sie eingeklappt sein und engt in dieser Position die Bewegungsfreiheit des Rudergängers etwas ein. Die kleine Einschränkung nehmen viele Segler in den warmen Segelrevieren jedoch offenbar gern in Kauf, denn eine Badeplattform mit eingehängter Badeleiter bringt sie vor oder nach dem Schlag unter Segeln den verdienten Badespaß doch deutlich näher. Da bei dieser Konstruktion des Yachthecks jedoch keine feste Badeleiter am Heck hängen kann, um eventuell über Bord gegangenen Seglern den Rückweg ins Cockpit zu ermöglichen, gibt es bei Yachten mit Badeplattformen in der Regel zusätzlich ausziehbare Strickleitern, die an einer vom Wasser aus zugänglichen Stelle in der Heckpartie untergebracht sind.