Teile diesen Beitrag "Manövertipps für Segler – Reffen Teil 1"
Was für ein Törn! Bei blitzeblauem Himmel stürmt die Charteryacht mit Rauschefahrt bei halbem Wind durch die See. Der geringe Seegang macht sich kaum bemerkbar und unsere Logge hat längst die 8 Knoten Marke geknackt. Die Yacht krängt bei Vollzeug bis knapp unterhalb der Fußreeling, an der das Wasser schäumend vorbeisaust und eine gurgelnde Hecksee erzeugt. So, oder so ähnlich lesen sich Berichte von Seglern, die während ihres Törns das begeisternde Geschwindigkeitspotenzial der Yacht und die Kraft des Windes erleben.
Großartig, wenn die Windverhältnisse den ganzen Segeltag lang für Genuss sorgen. In der Regel verändert sich der Wind natürlich im Laufe der Zeit. Zunehmender Wind stellt sich beispielsweise ein durch Wetterveränderungen ganz allgemein (zunehmender Gradientwind), durch die Zunahme des thermischen Windes oder dadurch, dass wir mit unserer Yacht in einen Bereich segeln, der Düsen- oder Kapeffekten ausgesetzt ist.
Mit zunehmenden Windgeschwindigkeiten während der Fahrt müssen selbstverständlich alle Segler umgehen können. Zunächst ist dabei an den Trimm der Segel an zu denken: Das Großsegel wird flacher getrimmt, indem etwa der Traveller nach Lee gefahren wird. Auch die Spannung am Baumniederholder oder die Fallspannung kann vielleicht noch etwas erhöht werden. Insgesamt sind jedoch auf einer Charteryacht die Möglichkeiten zur Veränderung des Segeltrimms eher begrenzt. Sind die Trimmmöglichkeiten erschöpft, ist die Segelfläche durch Reffen zu verkleinern.
Aber der Reihe nach:
Weshalb muss eigentlich bei zunehmendem Wind die Segelfläche reduziert werden?
Schließlich hat unsere Einrumpfyacht doch einen Kiel und kann sich durch Krängung theoretisch dem höheren Winddruck entziehen… Bei der Zunahme der Windgeschwindigkeit nimmt der Druck auf das Rigg zu. Die Yacht krängt immer weiter und reduziert auf diese Weise tatsächlich die dem Wind exponierte Segelfläche. Allerdings wandert hierbei gleichzeitig auch der Segeldruckpunkt im Verhältnis zum Lateraldruckpunkt nach Lee. Infolgedessen bewirkt ein Hebelarm zwischen dem leewärtigen Segeldruckpunkt und dem luvwärtigen Lateraldruckpunkt einen Drehimpuls, der den Bug nach Luv drückt. Die Yacht wird luvgierig.
Um den ursprünglichen Kurs beizubehalten wird bei einer luvgierigen Yacht nun aber mehr und mehr bremsende Leeruderlage erforderlich. Die Yacht wird immer langsamer bis hin zum vollständigen Verlust der Ruderwirkung (Sonnenschuss).
Aber auch andere Gründe sprechen für eine Anpassung der Segelfläche an zunehmenden Wind: So nimmt mit der Krängung auch die Abtrift der Yacht zu. Darüber hinaus steigt natürlich mit der Windgeschwindigkeit die Belastung des Riggs und der Segel, die Schaden nehmen könnten. Schließlich erhöht sich der Druck den der Wind auf Rigg und Segel ausübt mit dem Quadrat der Windgeschwindigkeit. Auch macht die Krängung der Yacht die Segelei zunehmend ungemütlich, weil die Bewegung der Segler auf der krängenden Yacht schwieriger wird.
Aber wann ist der richtige Zeitpunkt zum Reffen gekommen und wie läuft das Manöver ab?
Die rechtzeitige Verringerung der Segelfläche ist auf jeden Fall ein Zeichen guter Seemanschaft. Gelegentlich ist zu lesen, dass bei einer Krängung von 20° – 25° einzureffen ist. Je nach Yachttyp wird dieser Wert in der Regel ab einer Windstärke von 4 Beaufort und darüber erreicht. Die Reduzierung der Segelfläche soll die Yacht wieder in einen Bereich von etwa 15° Krängung bringen. Das ist ein Wert, bei dem die meisten Yachten schnell und ausgewogen segeln.
Da es jedoch keinen festen Wert für eine notwendige Verkleinerung der Segel gibt, haben sich Faustregeln etabliert. Eine, vielleicht ein wenig simpel klingende Regel lautet: Ein guter Skipper refft dann, wenn er das erste Mal daran denkt.
Dabei besteht durchaus ein Unterschied, ob der Wind zunimmt, während sich die Yacht auf einem Am- oder einem Raumschotskurs befindet. Auf dem Amwindkurs macht sich die Zunahme des Windes durch Krängung und Luvgierigkeit erheblich stärker bemerkbar als auf einem Raumschotskurs. Infolgedessen muss der verantwortungsbewusste Skipper die Windgeschwindigkeit auf Raumschotskursen sehr viel sensibler beobachten. Insbesondere gilt dies natürlich für Törns, bei denen ein Leichtwindsegel wie ein Blister, Gennaker oder gar ein Spinnaker gesetzt sind. Grundsätzlich gilt, dass auch auf einem Raumschotskurs nur so viel Segelfläche gesetzt sein sollte, wie das Schiff auf einem Amwindkurs tragen kann. Sofern Kursänderungen erforderlich sein sollten, ist man mit dieser Faustregel nämlich auf der sicheren Seite.
Für Segler von Katamaranen, die nicht krängen können ist die Beurteilung des richtigen Reffzeitpunktes schwieriger. Um diesem Umstand gerecht zu werden, gibt es auf jedem Charterkatamaran eine Refftabelle. Zusammen mit dem Windex, der die wahre Windgeschwindigkeit angibt, lässt sich mit ihrer Hilfe genau bestimmen, wann die Segelfläche reduziert werden muss.
Und wie verläuft das Reffmanöver?
Auf Amwind- oder Halbwindkursen sind grundsätzlich beide Segel, Groß- und Vorsegel, gemeinsam zu reffen, um den Druckpunkt der gesamten Segelfläche nicht wesentlich zu verschieben. Wird allein das Großsegel gerefft, dann verschiebt sich der Segeldruckpunkt nach vorn und die Yacht wird leegierig. Wird dagegen lediglich das Vorsegel verkleinert, wandert der Segeldruckpunkt nach achtern aus und die Yacht wird noch luvgieriger. Auf Raumschots- oder Vorwindkursen bietet es sich dagegen an, zunächst das Großsegel zu reffen. Dadurch wandert der Segeldruckpunkt nach vorn und stabilisiert den Kurs der Yacht.
Das Vorsegel reffen:
Das Vorsegel ist mittlerweile auf allen Charteryachten mit einer Rollreffanlage versehen. Beim Reffen wird das Segel auf eine Profilstange gewickelt, die mit Hilfe einer auf einer Leinentrommel laufenden Reffleine um sich selbst gedreht werden kann. Unterschiedlich geschnittene Vorsegel, die mit Stagreitern auf dem Vorstag fixiert werden, finden sich auf Charteryachten nicht mehr. Das Rollreffsystem für Vorsegel macht es den Seglern ausgesprochen leicht, die Vorsegelfläche anzupassen, wenngleich die Trimmmöglichkeiten eines Rollvorsegels zu wünschen übrig lassen. Zum Reffen muss zunächst der Druck aus dem Segel genommen werden, indem die Schot gefiert wird. Das Großsegel bleibt dabei stehen wie es ist, um der Yacht weiterhin Vortrieb und Kursstabilität zu geben. Erst wenn das Vorsegel komplett ausweht, kann an der Reffleine geholt werden um die Segelfläche auf das Vorstag zu rollen. In der Regel sollte das Reffsystem so eingestellt sein, dass Sie die Rollleine von Hand holen können. Sollte dies wider Erwarten zu schwer sein, verwenden Sie die Winsch nur, nachdem Sie sich vergewissert haben, dass sich kein Element des Reffsystems verhakt oder verklemmt hat. Gelegentlich gibt es beispielsweise Überläufer auf der Leinentrommel oder die Vorsegelschot verklemmt sich unter dem Heck des an Deck der Yacht gelaschten Dinghies. Anschließend müssen noch die Holepunkte der Vorsegelschot korrekt eingestellt werden, dann kann die Schot des Segels wieder angeholt werden
Das Großsegel reffen:
Bei den Großsegeln der Charteryachten haben sich im Wesentlichen zwei Systeme durchgesetzt: Das Lattengroßsegel (oft mit Lazy Jacks) und die Rollgroßsegel. Bei allen Systemen ist es für einen reibungslosen Ablauf des Reff-Manövers wichtig, dass vor der Verkleinerung der Segelfläche jeder Druck aus dem Segel genommen wird. Statt dazu die Yacht mit Motorunterstützung im Wind zu halten ist zu überlegen, ob der Rudergänger nicht auch hoch an den Wind gehen kann, um das Segel mit gefierter Großschot vom Winddruck zu entlasten. Um die Manövrierfähigkeit und Fahrt im Schiff zu behalten, ist bei dieser Variante jedoch die Vorsegelschot anzuholen. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, die Yacht beizudrehen und sie bei backstehendem Vorsegel und gefiertem Großsegel nach Lee verdriften zu lassen. Beigedreht lässt sich mit größerer Ruhe am Großsegel hantieren, da die Yacht bei diesem Manöver sehr stabil in Wind und Welle liegt.
Anschließend ist zur Entlastung des Achterlieks des Großsegels die Dirk etwas anzuholen. Je nach Reffsystem wird die Segelfläche dann entweder durch Einrollen in den Mast reduziert oder dadurch, dass das Segel an Reffkauschen auf den Baum heruntergezogen wird. Um die Besonderheiten der unterschiedlichen Reffsystem und ihre Bedienung wird es jedoch in unserem nächsten Blogartikel gehen.
Für eine mögliche, weitere Zunahme der Windgeschwindigkeit gibt es beim Lattengroßsegeln eine zweite Reffstufe, beim Rollreff lässt sich die Tuchfläche ja ohnehin stufenlos weiter verringern. Solch eine zweite Reffstufe wird bei Windstärken jenseits der 5 Beaufort notwendig. Skipper auf Yachten mit Lattengroßsegeln und Lazy Jacks sollten aber auf jeden Fall daran denken, dass auf Charteryachten in der Regel keine dritte Reffreihe zu finden ist.
Mit rechtzeitig und ausreichend gerefften Vor- und Großsegeln können wir unseren sportlichen Törn nun fortsetzen und weiterhin beruhigt das an der Fußreling vorbeischäumende Wasser bewundern.